Still ruht der See


Wasserkraft mit ökologischen Trugschlüssen

Von Cornelia Zapf

Wieder mal eine Begegnung mit so einem Ökofreak. Es sind ja nicht mehr wenige. Immer mehr Menschen wollen ökologisch leben. Keine Energie verschwenden, Natur und Umwelt schonen.

Mit der Natur im Einklang
Wir unterhalten uns über Atomausstieg, Nachhaltigkeit, Chancen und Risiken. Welche Möglichkeiten sind denn tatsächlich drin? Akzeptabel und praktikabel?
Er muss es ja wissen. Seit Anfang der Neunziger macht er in Windkraft. Aufgewachsen im sächsischen Ländle, auf dem Dreiseithof seiner Großeltern, ist er mit der Land- und Viehwirtschaft der alten Schule groß geworden. Bestmöglich im Einklang mit der Natur. Sonst fault einem schon mal das Korn weg. Oder die Ställe leeren sich.

Fluch oder Segen?
Dann also Windenergie. Windräder verspargeln die Landschaft. Ja ja. Aber so ein AKW ist auch nicht der visuelle Brüller. Freileitungen stehen sowieso überall, also warum nicht noch ein paar Windräder daneben? Effizient sind sie allemal. Und Off Shore geht nur auf dem Meer. Alternative Sonne: Ziemlich viele Felder sind in letzter Zeit gar nicht mehr grün und doch irgendwie. Weil sie Strom produzieren aus Sonnenlicht. Wenn die Sonne scheint. Auch nicht gerade schick. Brauchen Silizium, Zäune, Wachdienste. Rehe lesen: Hier werden sie platziert und Wildschweine müssen draußen bleiben.
Oder Biomasse: Endlich hat das Rindvieh eine Daseinsberechtigung. Wird nicht einfach nur gemästet und aufgegessen. Nein. es macht die Bude warm. Schwein gehabt! Immer mehr Monokulturen, Mais wohin das Auge schaut, zwei Rapsernten im Jahr, kein Problem? Fragt mal den Feldhamster. Also Wasserkraft: Flüsse anstauen, herrliche Seen bilden sich, schön zum Baden, Angeln, mitten im Wald.

Da unterbricht mich der Ökofreak harsch: „Wasserkraft tötet auch Fische! Und die Politik sieht einfach zu. Die Wirtschaft verhält sich nicht viel besser. Obwohl sie das seit Jahren wissen, planen Investoren Wasserkraftwerke ohne genügend auf Landschaft und Tierwelt zu achten.“

Kritik aus den eigenen Reihen
Jetzt staune ich aber wirklich nicht schlecht. Das Thema wird plötzlich doppelt interessant. Völlig andere Richtung. Kritik an den Erneuerbaren aus den eigenen Reihen? Von einem Vorreiter in gleicher Sache. Verräter unterwegs? Wer hat den geärgert? Ich muss mehr erfahren!

Der Verband der Wasserkraftwerksbetreiber Sachsen und Sachsen-Anhalt e.V. lobt die Wasserkraft u.a. wegen der Import-, Weltmarkt- und Krisenunabhängigkeit. (Wäre eine Trockenperiode nicht auch eine Krise?) Keine Schadstoffe, kein Rohstoffverbrauch. Dezentral verfügbar, schafft Arbeitsplätze in der Region, stärkt den Mittelstand. Folgenlos rückbaubar ohne Altlasten. Touristische Nutzung z.B. für Kanufahrer. Erhalt denkmalgeschützter Mühlen.

Aber mein Ökofreak hält dagegen: „Gerade sogenannte Kleinwasserkraftanlagen (KWKA) spielen Klima- und Umweltschutz regelrecht gegeneinander aus. Natur­nahe Gewässerlandschaften und durchgängige Fließgewässer bleiben nämlich auf der Strecke. Mitsamt ihrer bio­logischen Vielfalt.“

Hauptproblem Fischwanderung
Durch den Anstau des Flusses entsteht oberhalb des Wehrs ein Teich. Die mit dem Strom wandernden Fische vermehren sich dort nicht. Zuviel Schlamm auf den einstmals sauberen Kiesbänken. Weiter stromabwärts (upps, grad noch so vom Wehr gerutscht) lauert der Schreddertod in den Turbinen. Die gegen den Strom aufwärts wandern, haben ebenfalls kaum Chancen. Das Wehr ist meist unüberwindbar. Die Fischtreppen falsch positioniert. Sie versuchen so lange hochzuspringen, bis sie entkräftet verrecken. Vermehrung Fehlanzeige. Mindestwassermengen sind zwar Pflicht. Profitabler ist es aber, das ganze Wasser über die Turbinen zu leiten. Das Flussbett unterhalb des Wehrs bleibt dann oft trocken. Kein Problem, kon­trolliert wird aus Personalmangel nur selten.

Ich überlege: Früher nutzte man doch auch Mühlräder zum Mahlen oder kleine Wehre fürs Sägewerk? „Ja, aber man brauchte nicht das gesamte Wasser. Die Fische konnten trotzdem wandern. Heute sind die Wehre wasserdicht und unüberwindlich hoch. Alles Wasser durchfließt die Turbinen. Und mit ihm die Fische. Können ja nicht weg. Fischtreppen gibt es entweder gar nicht erst oder sie funktionieren nur selten.“
Und habe ich nicht vor kurzem einen Bericht gesehen, in dem von übermäßiger Methanbelastung die Rede war? Durch das Anstauen bilden sich unter Wasser Halden aus Pflanzenresten, die gären und geben Methan an die Atmosphäre ab. Bei einem Fluss wie der Saar, mit insgesamt 4 Staustufen, ergibt das 300 kg des hochpotenten Treibhausgases – pro Tag!

Wie raus aus der Misere?
In Deutschland gibt es ca. 7.500 Wasserkraftanlagen. Davon produzieren die 450 leistungsstärksten über 90 % der gesamten Energiemenge aus Wasserkraft. In Sachsen gibt es über 300 WKA mit einem ähnlichen Effizienzverhältnis. Nicht so doll! Wenn wir uns dazu noch überlegen, dass Teile Sachsens langfristig eher versteppen sollen, liegen ja wohl andere Erneuerbare geradezu auf der Hand! Und das Fließgewässersystem Sachsens könnte so weit wie möglich wieder renaturiert werden.

Die Naturschutzverbände müssen von Wirtschaft und Politik ernst genommen werden. Andererseits braucht es Effizienz und darf Gewinn kein Frevel sein. Also bildet Allianzen! Konsens statt Polemik! Kommuniziert und interagiert! Findet gemeinsam Lösungen! Es muss nicht jede WKA gebaut werden. Ruhig auch mal eine vorhandene abbauen! Mit den AKWs geht’s doch auch. Bleibende Anlagen brauchen sinnige Richtlinien, Kontrollen und Sanktionen. Viel mehr Bypässe, richtig dimensioniert, ein durchdachtes Fischtreppensystem müssen her. In Zeiten der Fischwanderung muss es auch mal ohne Wasserkraft gehen können.

Die Alternative ist nämlich eine völlig veränderte Vegetation in einem Ökosystem außer Rand und Band. Fehlentwicklungen kann man korrigieren. Ausgestorbene Arten sind ein für alle Mal verloren. Findet mein Ökofreak jedenfalls. Ich allerdings auch.

Betreiber von Wasserkraftwerken:
www.wasserkraftverband.de

Mitteldeutscher Wanderfisch e. V.
www.mdwf.de

NABU Landesverband Sachsen
www.nabu-sachsen.de

Gewässerdurchgängigkeitsprogramm des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
www.umwelt.sachsen.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert