Zynismus ist keine Lösung – ein Aufruf

Grafik zum Artikel: Zynismus idt keine Lösung", HERBSTFEUER Nr. 6

Grafik: Andreas Reichelt

Regelmäßig wird in den Medien über Probleme und Missstände in der stationären Pflege berichtet. Monitor, Panorama und andere überbieten sich in der Feststellung von Auswirkungen. Ursachen und Lösungsvorschläge? Fehlanzeige. Ende Oktober 2012 eine Nachricht, die an Zynismus kaum zu überbieten ist: ca. 400.000 Pflegepatienten können die Heimkosten nicht mehr aufbringen und sollen in tschechische, polnische oder gar thailändische  Pflegeheime wechseln, weil dort der Unterhalt günstiger ist.

Es reicht!
Nach einem arbeitsreichen Leben haben sich unsere Seniorinnen und Senioren einen  würdevollen Lebensabend verdient. Sie haben sehr wesentlich zur Entwicklung und Gestaltung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg beigetragen, mit viel Kraft und oft großen Entbehrungen  Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft wieder zum Erblühen gebracht. Und nun, da sie auf ein erfülltes Leben zurückblicken und auf unsere Hilfe – die Hilfe der Gesellschaft – angewiesen sind, entzieht sich diese ihrer Verantwortung und möchte das Problem wie Sondermüll ins Ausland exportieren.
Ob Klinik oder Pflegeheim, wir haben es mit Menschen zu tun, die unserer ganzen Aufmerksamkeit und Fürsorge bedürfen. Denn ohne die Hilfe der Gemeinschaft sind sie verloren. Eine humanistische Gesellschaft, die wir ja sein wollen, setzt die Schwächsten nicht einfach vor die Tür.
Gilt doch das Mittelalter, in dem mit Alten, Kranken und Gebrechlichen so verfahren wurde, größtenteils als überwunden – möchte man hoffen!

Fehler im System
Wir wissen eigentlich schon seit mindestens 30 Jahren wie sich unsere demografische Struktur ändern wird, dass wir eine immer älter werdende Gesellschaft werden. Alter bedeutet auch, dass wir der Seniorenbetreuung und -pflege ein viel größeres Augenmerk schenken müssen.
Was hat unser Sozialsystem real seit den 1980er Jahren erreicht? Es stagniert, es hat sich nicht auf die großen demografischen Herausforderungen eingestellt. Reformen in Pflege und Gesundheit wurden häufig nur zum Spielball politischer Ränke genutzt. Nicht um klare Ziele zu definieren, die den Aufgaben bis zur Jahrtausendwende und vor allem in den dann folgenden Jahrzehnten bis 2050 Genüge tun.

Ein Rechenbeispiel
Bis 2020 benötigt Deutschland mindestens 1 Mio. Pflegebetten, davon ca. 600.000 durch Neuinvestitionen*. Wenn man eine durchschnittliche Bettenzahl von 100 Betten pro Pflegeheim in Betracht zieht, ergibt sich daraus, dass ca. 6.000 Pflegeheime neu gebaut werden müssen und in den älteren Heimen, die nicht mehr den Normen der HeimMindBauVO entsprechen, ca. 400.000 zu sanieren sind. Allein für die Neuinvestition setzt man pro Pflegebett ca. 80.000 EUR an.

Daraus ergibt sich ein Investitionsvolumen von ca. 48 Mrd. EUR, zzgl. der Grundstücks – und Nebenkosten von mind. 55 – 65 Mrd. EUR. Für die Sanierung der seinerzeit aufgezeigten 400.000 Betten sind weitere ca. 25 bis 35 Mrd. erforderlich**. Alles in allem ein geschätzter Aufwand von über 130 Mrd. EUR. Eine Investitionssumme, die sowohl an die Projektentwickler, die Bauindustrie aber vor allem an die Politik (in Hinblick auf deren Finanzierung) große Herausforderungen stellt.

Bei einem Investitionskostenanteil, der in den Regionen außerhalb der Ballungsräume häufig bei 8 bis 13 EUR pro Tag und Patient liegt, können derartig hohe Aufwendungen nur schwerlich realisiert werden.

Lösungen gemeinsam entwickeln
Die Politik will und kann die Probleme offensichtlich nicht angehen. Das können nur wir selber, die Familien, die Freunde. Gemeinsam mit dem HERBSTFEUER-Netzwerk bereiten wir für den Herbst 2013 ein öffentliches Symposium zum Thema vor. An dieser Stelle rufe ich Sie, liebe Leser auf, mit Ideen und Lösungsansätzen quasi basisdemokratisch mitzuwirken. Senden Sie uns Briefe, E-Mails oder rufen Sie an. Gemeinsam werden wir eine ehrliche Diskussion eröffnen.
*Quelle: „Sozialimmobilien: ein Wachstumsmarkt mit vielen Gefahren“; FAZ 19.10.2001
** Statistisches Bundesamt 2000/eigene Gutachten

Infos:

Dipl.-Ing. Thomas Brauhardt
Sachverständiger für Immobilienbewertung
Postfach 1171
65796 Bad Soden am Taunus
Telefon: (06196) 761 57 72
info@tb-real-estate-consulting.com
www.tb-real-estate-consulting.com

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