Was klingt, wie aus dem Kabarett ist tatsächlich ein exotisches Vergnügen für jedermann.
Findet: H. L. R.
Römer, Ägypter und Inder haben schon vor Tausenden Jahren Spiele erfunden. Meist waren es die Reichen, die Zeit hatten, solchen Vergnügungen nachzugehen. Schließlich gab es Untertanen, die unangenehme Arbeiten für sie verrichten mussten. Oh ja, manchmal würde ich auch gern ungeliebte Aufgaben abgeben um mich besser bei einem guten Spiel zu vergnügen. Aber zum Glück sind die Zeiten ja anders.
Heute stelle ich ein Spiel aus dem alten Indien vor. Entstanden ist es dort im 6. Jahrhundert. Aus aristokratischen Wurzeln entwickelte sich das Nationalspiel der Inder schlechthin: Pachisi. Auf deutsch: Fünfundzwanzig. Weil dies der höchstmögliche Wurf ist.
Wie „Mensch ärgere Dich nicht“?
Tatsächlich kann es getrost als die Mutter solcher Laufspiele angesehen werden. Mit dem Unterschied, dass das Spielfeld ein Kreuz ist. Gewürfelt wird mit Kaurischnecken. Und es kommt sehr viel mehr auf die richtige Taktik an.
Zunächst die Grundregeln
Das Kreuz hat bekanntlich 4 Arme. Diese wiederum je 3 Spalten mit 8 Feldern. Zwölf Felder sind mit einem Kreuz markiert, die Schlösser. Hier darf man den Gegner nicht schlagen. Die Mitte des Armes ist der Char (Heimweg). Die Mitte des Kreuzes heißt Charkoni (Zentrum). Es gibt 4×4 Spielfiguren (Bauern) in 4 Farben. Und 6 Kaurischnecken als „Würfel“. 2, 3 oder 4 Spieler können antreten. Am interessantesten ist das Viererspiel 2 gegen 2. Die Partner sitzen sich gegenüber und bilden Parteien.
Ziel von Pachisi ist es, alle ‘eigenen’ Bauern aus der Charkoni einmal um das gesamte Kreuz herum wieder zurück zum Zentrum zu bringen. Gezogen wird gegen den Uhrzeigersinn. Beginnend auf der Mittelspalte des ‘eigenen’ Kreuzarmes zu den Kreuzenden. Über die Außenspalten der anderen Kreuzarme einmal ums Brett herum und wieder via ‘eigene’ Mittelspalte zum Zentrum zurück.
Die Zugweite wird durch Werfen der Kaurischnecken bestimmt. Die ‘Mündchen’ bestimmen den Zug. Anders als beim Würfel können Mündchenzahlen bis 25 erreicht werden. So weit so gut. Es folgen
Taktische Raffinessen
Beim Spiel 2 gegen 2 unterstützt ein Partner den anderen auch dann noch, wenn er selbst bereits alle seine Bauern in der Charkoni hat. Er zieht einfach mit den Bauern seines Partners weiter. Spielt man zu zweit oder zu dritt, genügt es, die eigenen Bauern im Zentrum unterzubringen.
Der erste Bauer jedes Spielers darf die Charkoni verlassen, egal was der erste Wurf bringt. Die nächsten Bauern dürfen das nur bei einem Bonuswurf, also bei 6, 10 oder 25 ‘Mündchen’.
Landet ein Bauer auf einem Feld das von einem feindlichen Bauern besetzt ist, wird dieser geschlagen und muss zur Charkoni zurückkehren. Der geschlagene Bauer beginnt von vorn. Der schlagende Spieler kriegt einen Bonuswurf.
Ein Spieler oder die Partner gemeinsam können eine Blockade errichten, indem sie ein Feld mit 2, 3, höchstens 4 Bauern besetzen. Ein Bauer kann eine Blockade schlagen, wenn er auf ihr landet. Vorbeiziehen an der Blockade kann er jedoch nicht. Eine Blockade darf die Anzahl der Felder des Wurfes gemeinsam ziehen. Und man kann die eigene Blockade natürlich auch jederzeit wieder aufbrechen.
Eine häufige Taktik ist es, auf dem Schloss am Ende des dritten Armes stehenzubleiben und zu warten bis man 25 wirft. Damit käme man ohne Risiko auf einen Ritt in die Charkoni.
Den Versuch ist es vielleicht wert. Um nämlich in die Charkoni zu gelangen, muss man die genaue Mündchenzahl werfen. Aber aufgepasst, man kann mit den Mündchen keine Eins werfen! Aussetzen wiederum ist möglich. Ebenso darf man ein zweites Mal um das Brett herumgehen. Das kann besonders interessant sein, um dem Partner zu helfen.
Kompliziert? Ach wo!
Kurz probiert und die Grundregeln sind kein Problem mehr. Stattdessen rücken Spaß und Taktik in den Vordergrund. Zahlreiche Varianten der Tricks und Regeln kursieren bei Fans. Sie machen Pachisi so einzigartig. Vor allem aber machen sie ungemein Spaß!
Können Sie sich das vorstellen? Taktieren bei einem „Würfelspiel“? Ich war auf jeden Fall sehr positiv überrascht über die sich bietenden Möglichkeiten. Nach meiner Meinung eine gelungene Mischung aus Taktik und Glück, ohne 20 Seiten Regeln lesen zu müssen! Also: die Abende werden länger. Welch klasse Gelegenheit, ein neues Spiel zu probieren.
Infos:
Pachisi ist oft in Spielesammlungen enthalten. Zu erwerben über den Spielefachhändler.
So ein Laden macht sowieso immer Laune.
Literatur:
ISBN 978-3899940435
Asiatische Spiele – Geschichte, Regeln, Taktik von Claus Voigt
ISBN 978-3899940879
Die große Humboldt Enzyklopädie der Würfelspiele von Hugo Kastner