Von Hanna Blum
Das Wasser peitscht mir ins Gesicht. Nach der warmen und kuschligen sechs stündigen Autofahrt strecke ich meinen Kopf in die Gischt des wilden Wassers auf dem schnellen Boot zu der kleinen unschuldigen Insel in der Ostsee. Bald schmecken meine Lippen salzig, die Brille ist blind, der Geruch von Wasser durchströmt meine Nase und die Haare kleben an den Wangen und der Wind dringt durch meinen Kopf hindurch.
Ich weiß nicht was ich erleben werde die nächsten zwölf Tage, ich will es auch nicht wirklich wissen, aber eine seltene Aufregung hat meinen ganzen Körper erfasst, breitet sich aus wie klares wildes Wasser.
… Die Wassergischt spüre ich nicht mehr, auch durch die Gläser meiner Brille sehe ich wieder klar. Ich sauge all die kleinen, frohen Schönheiten, die gelben Butterblumen, das fast unnatürliche Blau des Himmels, den roten Mohn, den orangen Wimpel an der Hafenkneipe, die bunten und grauen Menschen in mir auf. Die ungewohnte Erregung ist geblieben und ich lasse es geschehen, bin neugierig.
Die Sonne steht hoch, wie der Sanddorn und ich habe mich auf ein flauschiges gelbes Handtuch gesetzt, den Blick auf die unbegrenzte Ferne des Horizonts gerichtet. Die Wellenhäubchen rauschen leise und lassen silberne und goldene Perlen in die Sonnenstrahlen springen und tanzen.
Meine Augen schließen sich, sind gesättigt vom Blau des Himmels und des Wassers.
Ich lege mich auf den Rücken. Meine Arme, der Kopf, meine Schultern, der Rücken, der Po bis hinunter zu den Versen spüren den weichen Sand. Durch leichtes hin und her bewegen, durch ein wenig rubbeln und reiben dringen meine Körperformen in den Sand ein, beide passen sich an einander an. Ich liege gut, geborgen, sicher.
Als erstes erfasst mich ein Wind, der kein Wind ist, er ist eine sanfte Hand, suchende Finger, die jede kleine Falte meiner nackten Haut berühren, streicheln, kitzeln. Ich spüre mit meinen Sinnen hinterher, wünsche mir die zarten Berührungen auf Brust und Bauch, öffne leicht die Schenkel und mache so den Weg frei, öffne mich. Eine Schar singender Vöglein wird aufgeschreckt, ich weiß nicht wodurch.
Mein aufmerksames Verlangen gilt auch den Sonnenstrahlen, sie treffen warm, fast heiß meine Haut. Ein bisschen beißen sie, ein wenig verlangen sie nach mehr Tiefe, gerade so als ob sie unter die Oberfläche eindringen wollen. Weit, langsam, weit …
Ich bin regungslos, ich weiß nicht ob ich noch atme. Atmen ist nicht notwendig, denn die Luft tut es, belebt meinen Körper. Bildnisse ziehen vorüber, intensiv, bunt und stark. Diese Bilder dringen in mich ein, Bilder der vollkommenen Einheit, der Vereinigung. Alles ist still, alles ist vollkommen.
Dieses seltsame, berauschende, erregende Gefühl, was mich seit der Überfahrt nie verlassen hat, erreicht seinen Höhepunkt. Es ist überall und im gleichen Moment, kleine heftige Feuerwerke explodieren. Der Körper ist äußerlich in vollkommener Ruhe, bewegungslos, niemand der vorbei geht bemerkt es. Ich liege einfach nur still am Strand, auf einem gelben flauschigen Handtuch. Doch mein Körper ist in diesem Moment eine Wallung, eine Wollust aus Wind, Sonne, Fleisch, Blut und vor allem aufgebrachter, gereizter Haut. Wellenförmig durchzieht es mich, von unten nach oben, immer wieder. Ich habe das Gefühl für Zeit verloren. Tränen lösen sich, fließen langsam hinab. Als ich mich aufrichte, steht die Sonne immer noch im Zenit.
Die ungewisse, erregende Frage bleibt: Habe ich eine Insel geliebt, hat sie mich geliebt? …